Im ersten Teil „Decommissioning – Wie räume ich meine IT am besten auf?“ haben wir die Grundlagen betrachtet. In diesem Beitrag möchte ich den möglichen Ablauf eines Decommissioning-Projektes näher erläutern. Wichtig ist es, ein solches Vorhaben gut zu strukturieren. Allgemein unterteilt man dieses in Vorbereitungsphase, Analysephase, Definition der Zielumgebung, Projektphase und Umsetzungsphase.
Vorbereitungsphase
In der Vorbereitungsphase wird gemeinsam mit dem Kunden definiert, welches die relevanten Alt- oder Quellsysteme sind. Weiterhin müssen hier grundlegende Kriterien für die Zielsysteme (Hersteller, Technologie) definiert und eine erste Gesamtplanung (Zeit, Budget, Kapazitäten) aufgestellt werden. Auch die Gesamtheit der Altdatenbestände wird bereitgestellt, z. B. durch Lieferung von Archivdatenbanken über entsprechende Exportmechanismen.
Analysephase
Als nächstes wird eine intensive Analysephase durchlaufen, in der alle bereitgestellten Daten und Dokumente hinsichtlich folgender Kriterien untersucht werden:
- Mengengerüst (Anzahl, Formate)
- Strukturierung (Dokumentarten, fachliche Bedeutung)
- Qualität (Füllungsgrad)
Ein bewährter Ansatz zur Schaffung vollständiger Transparenz ist die Bottom-Up Strategie. Sie setzt auf unterster technischer Ebene an und liefert, ausgehende vom aktuellen Ist-Bestand, Schritt für Schritt strukturelle und semantische Erkenntnisse. Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kunden ist an dieser Stelle enorm wichtig. Ein wesentlicher Aspekt hier – nicht selten der schwierigste Punkt für unsere Kunden – ist die Definition der relevanten Migrationsmenge:
- Welche Dokumentarten werden noch benötigt?
Diese Festlegung muss zusammen mit den Business Units bzw. Fachbereichen getroffen werden. Verträge werden z. B. teilweise benötigt, jedoch Newsletter eventuell nicht mehr. - Wie verfahre ich mit wirklich alten Daten und Dokumenten?
Prüfen Sie, ob es sich lohnt, Dokumente ab einem gewissen „Alter“ noch zu migrieren. Gibt es Daten, die aus rechtlichen Gründen jedoch einen bestimmten Zeitraum aufbewahrt werden müssen? - Welche weiteren organisatorischen Aspekte spielen eine Rolle?
Welche Daten werden von welchen Organisationseinheiten migriert?
Definition der Zielumgebung
Nach der Analyse kann die eigentliche Zielumgebung definiert und spezifiziert werden. Aus technischer Sicht umfasst dies:
- Art und Anzahl der Server und Archive
- Definition von Export- und Importprozessen
- Zielanwendungen für den Datenzugriff, Sichtsystem oder fortlaufende Archivierung
- Sicherheitskonzepte und Berechtigungen
- Retention-Management
- Validierungsprozesse für die Erfolgsmessung der Migration (Protokolle, Prüfroutinen)
Dennoch bleiben manchmal noch inhaltliche Fragen beim Kunden offen, die natürlich ebenfalls geklärt und fixiert werden müssen:
- Worüber soll gesucht werden?
- Was sind die Zielattribute?
- Welche Zielformate kommen zum Einsatz und müssen Restriktionen beachtet werden, z. B. die ausschließliche Nutzung von Langzeitformaten wie PDF/A.?
- Wie soll das Maskendesign und Usability der Zielanwendung gestaltet sein?
Modellierung bzw. Mapping
Eine sehr intensive Projektphase verbirgt sich dann in der Zusammenführung von Analyseergebnissen und Zieldefinitionen – das sogenannte Mapping von Daten und Dokumenten. Dabei wird festgelegt, welche vorhandenen Attributwerte in welcher Form berücksichtigt und abgebildet und welche Transformationsregeln angewendet werden sollen. Im theoretisch einfachsten Fall handelt es sich um 1:1 Migrationen, praktisch jedoch spielen weitere Aspekte eine entscheidende Rolle:
- Datenkonsolidierungen und Umstrukturierungen
- Ansätze zur Datenverbesserungen, z. B. durch Rückgriff auf unterstützende bzw. ergänzende ERP-Systeme
- Festlegung von Retention-Perioden in Abhängigkeit von fachlichen Merkmalen
- Diverse Formatumwandlungen und Behandlung von Spezialfällen (E-Mail, Zip-Archive usw.)
- Zusammenführung von Formularen und Druckdaten
- Umsetzung komplexerer Suchhilfen zur Unterstützung der Endanwender (alte Schlüssel –> neue Schlüssel)
Das Ergebnis ist ein komplexes Mapping-Regelwerk, das alle Entscheidungen konsistent abbildet und jederzeit nachvollziehbar ist.
Umsetzungsphase
In der anschließenden Umsetzungsphase wird das erhaltene Mapping-Regelwerk implementiert. Hier zeigt sich die Güte von Spezifikation und Mapping. In diesem Schritt entstehen auch die Zielsysteme für Zugriff und Retention-Management, sowie notwendige Importprogramme. Schnittstellen- und Systemtests sind natürlich zusätzlich Bestandteil dieser Phase.
Als vorletzter Schritt erfolgt das automatisierte Aufbereiten (Schaffung konformer Importstrukturen) und die Archivierung der Metadaten- und Dokumente. Hier kommen effiziente Pipelinemechanismen für Massenimporte zum Einsatz, die Laufzeiten sind abhängig vom Mengengerüst trotzdem entsprechend hoch. Das Vorhaben ist mit dem abschließenden Validierungsprozess erfolgreich beendet. Die Basis dafür legen Protokolle und Systemlogs. Ein umfassender Validierungsprozess mittels Prüfsummen sieht beispielsweise wie folgt aus:
- Ermittlung Prüfsumme1 (PS1) beim Altdatenexport
- Ermittlung PS2 beim Einspielen in die Migrationsumgebung
- Ermittlung PS3 und Erstellung eines Protokolls A (PS1-3) nach Ausspielen aus der Migrationsumgebung
- Ermittlung PS4 und Erstellung eines Protokolls B (PS4) vor Eintritt in die Importumgebung
- Ermittlung PS5 und Erstellung eines Protokolls C (PS5) nach Archivierung in der Zielumgebung
Die Teilprotokolle A+B+C mit sämtlichen Prüfsummen 1-5 werden zu einem Gesamtprotokoll zusammengeführt und zu Validierungszwecke an den Kunden übergeben.
Fazit
Aus den Erfahrungen unserer bisherigen Aktivitäten im Bereich Decommissioning lässt sich festhalten, dass die Ablösung von Altsystemen sowie die Migration der darin enthaltenen Daten und Dokumente starken Projektcharakter haben. Diesen Weg bestreiten wir mit unseren Kunden gemeinsam und die enge Zusammenarbeit schafft Vertrauen. Herausforderungen im positiven Sinne bestehen in der hohen Bandbreite an Aufgabenstellungen sowie einem starkem Beratungs- und Kommunikationsanteil. Aufgrund der hohen Laufzeiten von Export-, Import- und Transformationsprozessen ist eine vorrausschauende aber auch flexible Projektplanung und -organisation erforderlich. Unser vorhandenes technisches Wissen als Dokumentmanagement- und Archivierungsspezialist bildet hier natürlich eine solide Basis. Es gilt das Motto: „Man weiß nie genau, was das nächste Vorhaben mit sich bringt! Auch wenn das Ziel oftmals früh feststeht, bleibt der Weg dahin doch sehr spannend.“